Chinesisch Kochen: Regionale Abwandlungen

Die verschiedenen Schulen des Kochens

China ist ein ungeheuer großes Land, das von einer Region zur anderen beträchtliche Unterschiede in der Landschaft, den Menschen, dem Klima und den natürlichen Hilfsmitteln und Bodenprodukten aufweist. Die chinesische Küche spiegelt diese Unterschiede wider: Es gibt beinahe so viele verschiedene Kochstile wie differierende Landstriche und Gebiete. (Die Unterschiede liegen freilich weniger in der Methode des Kochens, als vielmehr in der Art und Weise, in der Gewürze, SoΒen und andere geschmackgebende Zutaten verwandt werden.) Fünf Schulen herrschen vor: die südöstliche (Kanton), die westliche (Szetschuan, manchmal auch Chunking genannt), die nordöstliche (Peking oder Shantung), die zentrale (Honan) und die der Ostküste (Fukien).

Südosten: Die Schule von Kanton

Als Europa mit Fernost Handel zu treiben begann, wurde der Hafen von Kanton das Tor zum Westen. Die Kantonesen nahmen bereitwillig die neuen kosmopolitischen Einflüsse in sich auf und begannen – da sie selber groΒe Reisende waren – nach Europa und Amerika auszuwandern. Sie waren also die ersten, die chinesische Restaurants auΒerhalb ihres eigenen Landes gründeten und dem Westen die chinesische Küche vorstellten. Auch heute noch sind die meisten chinesischen Restaurants in Amerika und Europa kantonesisch.

Die Küche von Kanton ist originell und vielseitig, da sie stets von einer breiten Schicht wohlhabender Gourmets gefördert und durch reichliches Vorhandensein natürlicher Nahrungsmittel unterstützt wurde. Als die Ming-Dynastie im siebzehnten Jahrhundert gestürzt wurde, zogen viele hohe Regierungsbeamte von Peking in den Süden, in die Provinz Kwangtung, deren Hauptstadt Kanton ist. Sie brachten natürlich ihre Küchenchefs mit. Diese Köche, die mit Pekings klassischem Stil aufgewachsen waren, assimilierten auf der Reise nach Süden noch andere Regionalstile. In Kanton machten sie sich den Vorteil der vielen zusätzlichen, hier gedeihenden Nahrungsmittel zunutze, um ihre Kunst endlich zu dem auszubauen und zu erweitern, was heute als Kantonstil berühmt ist. Je wohlhabender das Land durch den aufblühenden Hafen wurde, um so mehr Wert wurde auf gutes Leben und Essen gelegt, und die Küche vervollkommnete sich.

Der kantonesische Stil wird durch seine besondere Fähigkeit, den ursprünglichen Eigengeschmack jeder Zutat hervorzulocken und zu verstärken und natürliche Aromengruppen miteinander zu mischen, charakterisiert. Er bedient sich nur weniger Würzen (SojasoΒe, Ingwerwurzel, Wein), hat sich auf jene Schnell-Koch-Technik spezialisiert, die wir hier Pfannenrühren nennen wollen, und benutzt Hühnerbrühe als Grundlage des gesamten Kochens. AuΒerdem ist die kantonesische Schule weithin bekannt für gebratenes Fleisch und Geflügel, gedünstete Schweinefleisch- und Fischgerichte, gebratenen Reis und solche Delikatessen wie Schwalbennest- und Haifischflossensuppe.

Nordosten: Die Peking-Shantung Schule

Obwohl die Stadt Peking und die Provinz Shantung geographisch nicht einmal dicht beieinander liegen, herrschte zwischen ihnen ein lebhafter Handelsverkehr und ständiger Hin- und Her-Wechsel von Um- und Rückzüglern. Jahrhundertelang tauschte man Köche untereinander aus, bis am Ende der Stil beider Schulen nicht mehr voneinander zu unter-scheiden war.

Peking jedoch war Sitz des Kaiserlichen Hofes und Chinas bedeutendstes kulturelles und intellektuelles Zentrum und übte infolgedessen den stärkeren EinfluΒ aus. Sein gehäufter Reichtum zog die besten Küchenchefs des ganzen Landes an, und diese brachten seine Küche zur höchsten Vollkommenheit. Peking, Hauptstadt der Feinschmecker in China bis zum 17. Jahrhundert, genoΒ einen weithin ausstrahlenden Ruhm wegen seiner Mammut-Feste und gargantuanischen Bankette. Die Mahlzeiten des Kaiserlichen Hofes, die in Palästen von herrscherlicher Pracht eingenommen wurden, waren von einer in der Geschichte nirgends sonst erreichten GroΒartigkeit. Manche Essen zogen sich ununterbrochen über drei Tage hin.

Die Pekingshantungschule zeichnet sich eher durch leichte, elegante, mild gewürzte als üppige Gerichte aus, sowie durch reichlichen Gebrauch von Knoblauch, Schalotten, Lauch, Zwiebelgrün und Schnittlauch. Sie ist auΒerdem für die köstliche Peking-Ente und ihr Samt-Huhn bekannt, für weich Gebratenes, für ihre Frühlingsrolle (den Vorläufer der Eierrolle), für köstliches geschmortes oder in Wein gekochtes Fleisch.

Anmerkung: Das nördliche China einschlieΒlich der ungeheuren Weiten der Mongolei und der Mandschurei ist überwiegend öde, unfruchtbar und spärlich bevölkert. Die Menschen sind meist Nomaden und bekannt für ihren Gebrauch von Lamm- und Schafsfleisch und die Zubereitung im Feuertopf gleich an der EΒstelle.

Westen: Die Schule von Szetschuan (Szechuan)

Das Klima der Provinz Szetschuan ist heiΒ, beinahe tropisch. Ihre Bewohner mögen ihr Essen am liebsten scharf gewürzt, pfeffrig und etwas ölig. Die Spezialitäten von Szetschuan sind unter anderem ausgebackenes Huhn in Papierhülle, Gemüse in Hühnerfett zubereitet und verschiedene Pilzgerichte. Obwohl die Familienküche in Szetschuan scharf und pfeffrig war, bevorzugte man für festliche Gerichte eher leichte und milde Speisen. Leute aus dem Norden, die von Peking nach Szetschuan übergesiedelt waren, hatten sie für ihre gesellschaftlichen Anlässe mit-gebracht. Nördlichen EinfluΒ verrät auch die Szetschuan-Ente: ein Lieblingsessen der Provinz und eine Abwandlung der Peking-Ente.

Mitte: Die Schule von Honan

Die Provinz Honan, durch die der Gelbe FluΒ flieΒt, ist berühmt für ihren GelbfluΒ-Karpfen. AuΒerdem genieΒen ihre scharfen Mixturen, die süΒ-sauren Gerichte und ihre kräftigen Gewürze groΒes Ansehen.

Ostküste: Die Schule von Fukien

Die Provinz Fukien an Chinas östlicher Küste ist berühmt für ihre Gerichte aus Schalentieren und Fischen und für klare, leichte Suppen. Diese Suppen sind nicht nur wegen ihrer Qualität bemerkenswert, sondern auch wegen ihrer Quantität. Beim Familienessen werden mindestens zwei solcher Suppen aufgetragen; bei Banketten bestanden früher oft ein Viertel aller angebotenen Speisen aus Suppen. (Von einem bestimmten Festessen wissen wir, daΒ von zehn Gängen sieben aus Suppen bestanden.) Fukien ist auch erwähnenswert wegen seines subtilen Gebrauchs von Kochwein, seiner SojasoΒen, Eierrollen und Spanferkel.

Anmerkung: Häufig findet man Hinweise auf Shanghai oder Mandarin Küchen. Dabei handelt es sich nicht um regionale Stile sondern um Restaurant-Bezeichnungen. Shanghai Art bedeutet mancherorts ein Menü aus vielen regionalen Stilen, da Shanghai selber, als groΒes Wirtschaftszentrum und kosmopolitische Stadt, die verschiedensten Einflüsse widerspiegelte. Mandarin Art bezieht sich auf die Pekingshantungschule, da in Peking die Aristokraten oder Mandarine des alten China lebten. (Das Wort Mandarin bezeichnet im Chinesischen einen höheren Beamten.) Die Bezeichnung soll den Eindruck hervorrufen, daΒ die Küche vornehm und von feinster Art ist, das Beste überhaupt. Auch sie umschlieΒt eine Vielzahl der erwähnten Kochstile.